Redebeitrag 31.10.2024

Seit Montag dem 28.10.2024 haben wir in der Eisenbahnstraße 97 wieder Gas. Wir können wieder kochen, warm duschen und heizen. Auf den Tag genau 5 Monate hat es gedauert, eine Grundversorgung wiederherstellen zu lassen, die für die meisten als eine Selbstverständlichkeit gesehen wird. 

In diesen 5 Monaten haben wir viel Salat gegessen. Wir haben uns an das kalt duschen gewöhnt und uns über warme Herbsttage gefreut. Manchmal war die Situation so absurd, dass wir darüber lachen konnten. Eigentlich ist es aber nicht lustig. 

Ohne Gas, Heizung und warmes Wasser zu leben bedeutet vor allem: Den Alltag so planen, dass man genug Zeit hat, woanders warm zu duschen. Es bedeutet, ständig zu frieren, nicht einfach mal den Ofen zum kochen benutzen zu können, mehr Geld dafür ausgeben zu müssen auswärts zu essen, ständig mit Wärmflasche herumzulaufen. Es bedeutet, sich langsamer von Krankheiten zu erholen oder sich auszuquatieren, um sich in einer anderen beheizbaren Wohnung auszukurieren. Es bedeutet, dass man sich einfach nicht mehr richtig wohlfühlen kann im eigenen Wohnraum. 

Hinzu kommt, dass wir uns fortlaufend organisieren müssen, um unser Recht vor Gericht zu erstreiten.

In unserem Fall lief es besonders absurd. Um wieder warmes Wasser zu haben, sind drei Wohngemeinschaften vor Gericht gegangen. In allen drei Verfahren gab es unterschiedliche Gerichtsentscheidungen. In einem Verfahren haben wir Recht bekommen, in einem nicht und im dritten haben wir erst Recht bekommen, dann doch nicht und dieses Urteil wurde dann von der nächsten Instanz wieder aufgehoben. Der Ablauf dieses Rechtsstreits ist niemandem mehr vermittelbar und kann höchstens als Negativbeispiel in einer Juravorlesung dienen.

Selbst dort, wo das Gericht den Vermieter in der Pflicht gesehen hat, dafür zu sorgen, dass wir warmes Wasser haben und heizen können, hat es noch Monate gedauert, bis wir selbst jemanden beauftragen durften. Wir mussten mit Erschrecken feststellen, dass ein sogenanntes Eilverfahren theoretisch zwar existiert, in der Realität aber auch mal 5 Monate in Anspruch nimmt.

Letztlich hatten wir dann einen Gerichtsbeschluss in der Hand. Darauf stand, dass wir eine Fachperson für die Prüfung und Reparatur der Gasleitungen beauftragen dürfen und dass der Vermieter die Kosten dafür tragen muss. Wir mussten aber feststellen: Auch ein Gerichtsbeschluss interessiert den Vermieter und seine Vertreter nicht. Der von uns beauftrage Installateur wurde vom Hausverwalter erst einmal aus dem Haus gejagt. Einige MieterInnen im Haus mussten Beleidigungen und cholerische Ausbrüche über sich ergehen lassen. Uns wurde unterstellt, wir würden uns widerrechtlich im Keller aufhalten, obwohl wir ein Nutzungsrecht haben. 

Mit viel Aufwand und ständiger Anwesenheit konnten wir schließlich trotzdem durchsetzen, dass die Gasleitung repariert und der Gashahn wieder geöffnet wurde. 

In der Zwischenzeit hat der Eigentümer alle Kellerabteile räumen lassen – ohne Ankündigung. 

Es finden wieder lärmintensive Bauarbeiten statt – ohne Ankündigung. 

Die Fenster zum Keller waren tagelang offen, aber das Kellerschloss wurde mit dem Argument „Diebstahlschutz“ ausgetauscht. 

Die Liste an Absurditäten wird immer länger und das Leben im Haus ist mittlerweile zum Job geworden. Und es ist keiner der Spaß macht. Wir sind besorgt, dass demnächst wieder eine Grundversorgung ausfällt. Wir kontrollieren regelmäßig die Infrastruktur im Haus. Wir begleiten uns, damit sich niemand der nächsten unangenehmen Situation alleine stellen muss. Wir begleiten von uns beauftrage HandwerkerInnen durchs Haus, damit sie nicht von einem cholerischen Hausverwalter abgeschreckt werden. Wir plenieren. Wir sammeln Geld. Neben all diesen Aufgaben, die das bloße Wohnen in der E97 uns stellt, führen wir auch unsere eigenen Leben. Wir kümmern uns um unsere Beziehungen, um unsere Familien, um die Arbeit, die wir erledigen müssen. Und wir müssen uns vor allem um uns selbst kümmern, damit uns der ganze Stress nicht krank macht. 

Dabei ist es ein Stress, der nicht sein müsste, sondern einer der vom Vermieter beabsichtigt ist! Wir sagen es nochmal in aller Deutlichkeit: Dass wir 5 Monate von der Gasversorgung abgeschnitten waren, lag nicht daran, dass eine extrem aufwendige komplexe Reparatur notwendig war. Als wir die Reparatur selbst beauftragt haben, war das Problem nach 2 Tagen behoben. Grund für diese 5 Monate sind ein Vermieter, der vor Gericht die absurdesten Unwahrheiten erzählt und eine Justiz, die ineffektiv arbeitet. Wie kann es sein, dass wir 5 Monate in einem Eilverfahren festhängen? Und wie sollen wir noch irgendjemandem dazu raten, vor Gericht zu gehen, um dort für sein Recht zu kämpfen? 

Die Stadt darf vor solchen Zuständen nicht die Augen verschließen. Das Problem Entmietung ist bekannt und wird auf absehbare Zeit nicht verschwinden. Untätigkeit und der Hinweis auf einen begrenzten Zuständigkeitsbereich sind keine Strategien, mit der man einem wachsenden strukturellen Problem begegnen kann. Die Stadt Leipzig muss Wege finden, MieterInnen vor rücksichtslosen InvestorInnen zu schützen und sie in ihren Kämpfen zu unterstützen. Der Aufwand, den wir zur Zeit betreiben, um einfach nur wohnen zu können, ist niemandem zumutbar! Wir sind müde. Und wir sind dankbar, dass es einen Kreis an UnterztützerInnen gibt, die uns damit nicht alleine lassen. Die ihre Zeit und Kapazitäten nutzen, um unserer Situation eine öffentliche Platform zu geben. Und auch, um den Konflikt an den Ort zu bringen von dem er ausgeht, die NAS-Immobilien hier im Brühl 61 

Solange das Bewohnen einer Wohnung kein Grundrecht sondern in erster Linie ein Störfaktor für InvestorInnen und deren Gier nach Profitmaximierung ist, müssen wir einen unfairen Kampf kämpfen. Wir sind dieser Störfaktor und wir kämpfen diesen Kampf. Wir fordern aber, das ihn in Zukunft niemand mehr kämpfen muss!

Wir wiederholen, was wir bereits gesagt haben. Niemand gewinnt diesen Kampf allein – das Problem ist ein strukturelles! 

Vernetzt euch, wenn ihr auch betroffen seid. Unterstützt uns, falls ihr das Glück habt, noch nicht betroffen zu sein. Gründet eure eigene Initiative. Spendet, teilt unsere Inhalte, folgt uns auf Insta, besucht unsere website e97.org.

Denn wir alle wissen, Freiräume und Wohnraum gibt es nicht geschenkt, sie müssen erkämpft  und verteidigt werden. 

 Häuser denen die drin wohnen!

E97 bleibt!