Mieter*innen der Eisenbahnstraße 97 wehren sich gegen Entmietungsversuche – Amtsgericht Leipzig erlässt einstweiilge Verfügung gegen Vermieter
Mieterinnen der Eisenbahnstraße 97 wehren sich gegen Entmietungsversuche – Amtsgericht Leipzig erlässt einstweiilge Verfügung gegen Vermieter Leipzig 21.06.24 Wegen der unterbrochenen Gasversorgung in der Eisenbahnstraße 97 (https:// www.tagesschau.de/inland/regional/sachsen/mdr-entmietungsaktion-auf-dereisenbahnstrasse-97-100.html) haben Mieterinnen eine Einstweilige Verfügung gegen den Eigentümer beantragt. Das Amtsgericht Leipzig beschloss: Der Eigentümer ist verpflichtet, die Versorgung mit Gas und die Warmwasserversorgung wiederherzustellen (Amtsgericht Leipzig, Beschluss vom 12.06.2024, : EV 109 C 3004/24).
Seit dem 28.05.2024 sind alle Wohnungen der Eisenbahnstraße 97 ohne Gasversorgung. Das sind drei Wochen, in denen wir nicht kochen konnten. Das sind drei Wochen, in denen wir nur eiskalt geduscht haben oder auf Wohnungen von Freundinnen in der Nähe ausgewichen sind. Für uns als Bewohnerinnen des Hauses ist das eine enorme Belastung. Und es ist eine, die nicht sein müsste. Die Gasversorgung könnte wiederhergestellt werden sobald die Gasleitungen im Haus durch die Stadtwerke wieder abgenommen sind. Das Problem ist: Das müsste der Eigentümer beauftragen. Und der bleibt untätig. Zwar wurde der Eigentümer mehrmals über die Situation informiert und zur Abhilfe aufgefordert. Die von uns gesetzten Fristen sind aber verstrichen, ohne dass Maßnahmen ergriffen wurden. Im Gegenteil: Zuletzt wurde vonseiten des Eigentümers kommuniziert, man habe zur Zeit auch nicht vor, die Gasversorgung wieder herzustellen. Dies sei mit einem zu hohen Aufwand verbunden.
Der Zynismus, der in einer solchen Aussage liegt, macht uns fassungslos! Hier wird ein Szenario formuliert, in dem es für vertretbar gehalten wird, Mieterinnen von dem absoluten Mindeststandard der Warmwasserversorgung abgeschnitten zu halten – mit der Begründung, dass Abhilfe zu schaffen mit Aufwand verbunden ist. Gleichzeitig stehen Baugerüste um das Haus, Dachdeckerfirmen werden beauftragt das Dach abzudecken – wir werden nicht informiert und alleine gelassen. Der Vermieter möchte uns so aus unseren Wohnungen drängen. Aber wir wohnen in der Eisenbahnstraße 97, teilweise seit vielen Jahren und wir werden hier auch wohnen bleiben. Um jetzt wieder warm duschen zu können und um irgendwann einmal wieder den Herd zum kochen benutzen zu können, haben mehrere Wohnungsmietparteien Einstweilige Verfügungen auf den Weg gebracht. Das Amtsgericht hat entschieden und stellt klar: Die Warmwasserversorgung ist Grundversorgung. Sie sicherzustellen, obliegt dem Eigentümer. Der Vermieter ist zur umgehenden Wiederherstellung der Gasversorgung verpflichtet! Dieses Ergebnis kommt wenig überraschend, dennoch ist es ein großer Erfolg! Denn es berichtigt die Auffassung, die offensichtlich auf der Gegenseite herrscht, dass man sich als Mietraum-Investor aussuchen könne, welche Verpflichtungen man wahrnimmt und welche nicht. Die Einstweilige Verfügung wurde am 12.06.2024 beschieden, der Vermieter in Kenntnis gesetzt. An der unterbrochenen Versorgungslage ändert sich jedoch nichts. Wir haben nach wie vor kein warmes Wasser.
Das Haus ist auch sonst mittlerweile eine Baustelle: Das Dach wurde am 20.06.2024 überraschend abgedeckt – trotz Sturmwarnung für den kommenden Tag. Fensterbretter wurden bei Fassadenbauarbeiten abgeschlagen. Der Hausflur, der brandschutzsicher von uns freigehalten wird, steht nun voll mit Baumaterialien. Wir werden im Dunkeln gelassen, was mit unserem Haus passiert und immer wieder von Arbeiten überrascht. Die Mängel in den Wohnungen werden dagegen ignoriert. Der Eigentümer reagiert auf unsere Terminvorschläge zur Mängelbesichtigung in den Wohnungen nicht. Unsere Anfragen werden “zur Kenntnis genommen”. Wir stehen einem Eigentümer gegenüber, dem es nicht um ein vernünftiges Miteinander im Mietverhältnis oder um einen konstruktiven Austausch geht. Wir stehen einem Eigentümer gegenüber, der dem Eindruck unterliegt, mit dem Haus zusammen hätte er auch das Recht an den Mieterinnen erworben, müsse sich nicht an mietrechtliche Bestimmungen halten und
könne tun und lassen was er will. Tatsächlich fühlen sich Mieterinnen auch durch das Gebahren der Bevollmächtigten und jener die vorgeben das zu sein, persönlich unter Druck gesetzt. Heute können wir feststellen: Wo ein Eigentümer die Mieterinnen bewusst über Wochen und erklärt absichtlich ohne warmes Wasser und Gasversorgung lässt, obwohl er gerichtlich zur Abhilfe verpflichtet wurde, will er die Entmietung!
Es geht hier nicht um Belastungen, die aufgrund von Instandsetzungsmaßnahmen in einem Bestandsgebäude entstehen, das teilweise in den letzten Jahren nicht mehr ordentlich durch die alten Eigentümer gewartet wurde und heute einen Handgriff an einigen Stellen benötigt. Es handelt sich um aktiv ausgeübte psychische, finanzielle und organisatorische Belastungen,
die weit über das Maß hinausgehen, das im Rahmen der Sanierung eines Hauses zu erwarten ist und von denen wir annehmen müssen, dass sie genau so gewollt sind. Es handelt sich um Belastungen, die entstehen, wenn ein Eigentümer seine Pflichten als Eigentümer nicht wahrnehmen will und dies auf dem Rücken der Mieterinnen austrägt. Es handelt sich um Belastungen, die entstehen, wenn Wohnraum in erster Linie als Ware behandelt wird und zur Profitmaximierung dienen soll. Dass wir seit drei Wochen unseren Alltag ohne warmes Wasser und funktionierende Küchen bestreiten, dass wir seit Monaten immer wieder neue Überraschungen, wie Baugerüste und ein abgedecktes Dach erleben, dass der Vermieter sich nur über das Amtsgericht bitten lässt, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen, ist mitten in Leipzig eigentlich unfassbar. Wenn Eigentümer die Erfahrung machen, dass das praktikabel wird, ohne Konsequenzen tragen zu müssen, stimmt etwas nicht in der Stadt Leipzig bei der Durchsetzung von mietrechtlichen Bestimmungen und dem Schutz der Mieterinnen vor Eigentümern, die diese nicht ernstnehmen.
Wohnen ist Menschenrecht, rücksichtslose Profitmaximierung ist es nicht!
Eure E97