Leipzig, 13.03.2025 – Die Mietparteien in der Eisenbahnstraße 97 haben Räumungsklagen erhalten. Als Bewohner:innen wehren wir uns gegen diesen weiteren Versuch der Entmietung. Am 08.04.2025 wird vor dem Amtsgericht Leipzig verhandelt.
Wir haben befürchtet, dass dieser Moment kommt und nun ist es soweit: Die Räumungsklagen liegen auf dem Tisch! Alle Bewohner:innen der Eisenbahnstraße 97 und das soziokulturelle Zentrum ConHanHop sollen ihre Räumlichkeiten endgültig verlassen. Schon am 08. April finden die ersten mündlichen Verhandlungen vor dem Amtsgericht Leipzig statt.
Seit über 10 Jahren bewohnen wir als Wohngemeinschaften organisiert die Eisenbahnstraße 97 – im Gegensatz zu den bisherigen Eigentümern kümmern wir uns um die Wohnungen, die überhaupt nur existieren, weil wir sie bewohnbar gemacht haben. Wir haben Mietverträge, wir zahlen Miete. Seit über 10 Jahren müssen wir uns allerdings auch damit auseinandersetzen, dass Häuser als Spekulationsobjekte gekauft werden und auf die Mieter:innen keine Rücksicht genommen wird. Im besten Fall ist man den Vermietern bloß egal. Im schlimmsten Fall ist man plötzlich mit unserem neuen Vermieter und seinen Vertreter:innen konfrontiert.
2024 ist die E97 zum Spielplatz für einen Investor mit Allmachtsfantasien geworden. Wir sollen Bauarbeiten dulden, die unangekündigt einfach beginnen. Wir sollen uns damit arrangieren, dass es in die Wohnungen regnet, weil das Dach abgedeckt wurde. Wir sollen ohne Gas und Heizung wohnen. Wir sollen mehr Miete zahlen. Wir sollen Zugang in die Wohnungen gewähren – für Baumaßnahmen, die dann nicht beendet werden.
Wer auf eine angemessene Kommunikation besteht, wird ignoriert. Wer Rücksichtnahme einfordert, wird ignoriert. Wer den Vermieter daran erinnert, dass er auch Pflichten hat, stößt auf Unverständnis. Und irgendwann findet man Post vom Amtsgericht im Briefkasten: Verklagt auf Räumung.
Der Eigentümer und seine Vertreter:innen spielen dabei ein doppeltes Spiel. Die Mieter:innen im Haus werden schikaniert, gegenüber der Öffentlichkeit wird ein unschuldiges Gesicht gezeigt: Neue Graffitis an der mittlerweile sanierten Hausfassade werden fleißig überstrichen, die Google-Bewertungen der Hausverwaltung eifrig von unliebsamen Bewertungen gereinigt und die frei gewordenen Ladenflächen in einer beeindruckenden Geschwindigkeit durchsaniert und wieder bereitgestellt. Für das Polieren des Selbstbilds scheint genug Geld da zu sein. Die Reparatur der Gasleitungen wiederum haben wir nach fünf langen Monaten ohne Gas selbst beauftragt und bezahlt.
Aber was ist eigentlich der Grund für die Räumungsklagen? Wir haben doch Mietverträge. Das stimmt zwar, der Vermieter findet aber: Dass wir hier mieten, ist ihm wirtschaftlich nicht zuzumuten.
Ein Investor, der nicht kalkuliert, bevor er aus Langeweile sein Geld ausgibt, ist aber nicht schützenwert. Reine Profitgier ist nicht schützenswert, ihr müssen Grenzen gesetzt werden! Erst recht auf der Eisenbahnstraße, wo eine Soziale Erhaltungssatzung gilt, die die Bewohner:innenstruktur vor Verdrängung schützen soll! Wir wehren uns gegen einen Rauswurf mit allen uns verfügbaren Mitteln! Diese Ungerechtigkeit dulden wir nicht! Wir sind als ganz normale Mieter:innen in der Eisenbahnstraße 97 zuhause – worauf sollen wir uns verlassen, wenn nicht auf unsere Mietverträge?
Bei der Grobheit, mit der gegen uns vorgegangen wird, fragen wir uns: Wie oft ist dieser Investor schon damit durchgekommen? Wie oft wurden Mieter:innen solange schikaniert, bis sie ihre Räume aufgegeben oder einer höheren Miete zugestimmt haben? Wie oft wurde eine Entmietungskampagne schon in den Hauskauf eingepreist? Was gedenkt eine Stadt, dem entgegenzusetzen? Immerhin muss sie auch mit der sozialen Schieflage umgehen, die aus Entmietung und entsprechend rasant steigenden Mieten entsteht.
Wir haben verstanden, dass wir in den Augen des Hauseigentümers und seiner Helferschar keine Menschen sind, sondern lediglich Hindernisse, die es aus dem Weg zu räumen gilt. Wir sehen, dass wir bezahlen sollen, für ein Geschäft, das nicht so aufgegangen ist, wie der Eigentümer dachte. Aber das werden wir nicht tun. Wir wollen Hindernisse sein! Wir haben viel Energie und Zeit in die Aushandlung von langfristigen Mietverträgen investiert. Das ist nicht einfach hinfällig, weil einem neuen Eigentümer das nicht in den Kram passt. Wir werden um unseren Wohnraum kämpfen! Wir werden um das ConHanHop kämpfen, das als einer der letzten Projektläden im Viertel noch nicht verdrängt wurde!
Kauf bricht nicht Miete, auch wenn der Hauseigentümer der Eisenbahnstraße 97 das gern anders hätte!
Wir haben im letzten Jahr viel Solidarität erfahren. Das motiviert uns, weiterzumachen! Mietkampf kostet aber Zeit, Nerven und Geld. Angesichts der Räumungsklagen freuen wir uns deshalb vor allem über Spenden und jede Form von Unterstützung.
Eure E97